“Verborgene Lasten: Hochsensibilität und die Dynamik von Scham und Schuld”
Damit wir die Dynamik zwischen Scham und Schuld in Verbindung mit der Hochsensibilität verstehen können, sollten wir zuerst die grundlegenden Begriffe klären.
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Was bedeutet Hochsensibilität?
Im Jahr 1997 prägte die amerikanische Psychologin Elaine N. Aron den Begriff „Highly sensitive Person (HSP)“ und das, obwohl bereits andere Forscher oder Wissenschaftler auf diesem Gebiet ähnliche Erfahrungen bzw. Ergebnisse erzielten.
Im deutschen übersetzt bezeichnet HSP eine hochsensible Person oder die Hochsensibilität allgemein.
Doch nur weil Forscher oder Wissenschaftler diesen Begriff geprägt haben, bedeutet es nicht, dass die Hochsensibilität eine Krankheit oder ein Symptom ist. Nein, im Gegenteil, die Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal einer jeden Person, bei manchen Menschen mehr ausgeprägt als bei anderen. In der Bevölkerung kommt sie zu ca. 15 – 20% vor und ist durch eine erhöhte Empfindsamkeit gegenüber äußeren Reizen gekennzeichnet. Diese Menschen nehmen sensorische, emotionale und soziale Reize intensiver wahr und verarbeiten diese auch tiefgründiger als normal-sensible.
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Typische Merkmale und Herausforderungen von hochsensiblen Menschen:
- Sie besitzen eine höhere Empfindsamkeit gegenüber sensorischen Reizen wie z. B. Lärm, Licht, Gerüche, Geschmack oder grobe Textilien auf der Haut
- Sie empfinden intensivere emotionale Reaktionen wie z. B. Gefühle anderer Menschen oder eine tiefere Wahrnehmung von Kunst, Musik oder Tanz.
- Sie verarbeiten Informationen tiefer und erkennen Zusammenhänger schneller. Dadurch setzen sie sich auch intensiver mit ihren Gedanken und Gefühlen auseinander und können leichter in eine „Grübelspirale“ verfallen.
- HSP sind oft besonders sensibel in zwischenmenschlichen Situationen und können sich leicht von Kritik oder Konflikten betroffen fühlen. Dadurch haben sie ein starkes Bedürfnis nach Harmonie und Authentizität in ihren Beziehungen.
- Sie sind in lauter oder hektischer Umgebung schneller überstimuliert als normal-sensible. Diese Überstimulation kann zu Stress, Angstzuständen oder Überforderung führen, gerade wenn sie sich nicht genügend Zeit für Ruhe und Regeneration nehmen.
- HSP besitzen oft eine reiche innere Welt und eine starke Vorstellungskraft. Viele sind kreativ und intuitiv veranlagt und können komplexe Probleme auf innovative Weise lösen.
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Damit möchte ich jetzt abschließend festhalten, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist, die geheilt werden muss. Sie ist einfach ein natürliches Merkmal der menschlichen Persönlichkeit.
Entdecken hochsensible Menschen ihr Me(e)hr können sie aus ihren Schätzen lernen. Sie können mit den Herausforderungen, die mit ihrer Empfindsamkeit einhergehen, ein erfülltes und authentisches Leben führen.
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Was bedeutet Scham?
Die Herkunft des Wortes ist bisher ungeklärt, bedeutet jedoch, so viel wie Schande oder versagt zu haben. Scham zu empfinden, gilt als angeboren. Sie ist eine intensive und oft schmerzhafte, niedrig schwingende Emotion, die auftritt, wenn man das Gefühl hat, dass man in den Augen anderer Personen erniedrigt, unwürdig oder minderwertig ist.
Im Gegensatz zur Schuld, die sich auf spezifische Handlungen oder Verhaltensweisen bezieht, bezieht sich Scham auf das Gefühl, dass die eigene Person als Ganzes unzureichend oder mangelhaft ist.
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5 Merkmale und Aspekte von Scham:
- Selbstwertgefühl und Selbstbild: Scham ist eng mit den beiden verbunden. Menschen, die Scham empfinden, haben oft das Gefühl, dass sie grundlegend unzulänglich oder nicht liebenswert sind.
- Soziale Bewertung: Scham entsteht oft durch die Vorstellung, wie man von anderen wahrgenommen wird z. B. den Erwartungen anderer nicht gerecht zu werden.
- Verdeckte oder offene Reaktionen: Verdeckte Scham kann innerlich erlebt werden z. B. erhöhter Puls, Schwindel oder Herzklopfen ohne äußere Anzeichen zu zeigen. Offene Scham zeigt sich durch sichtbare Anzeichen wie Erröten, ein breites Grinsen, ein verlegenes Lächeln, eine stockende Aussprache bis hin zum Stottern, Senken des Blickes oder eine gesenkte Körperhaltung.
- Schamspirale: Scham kann zu einem Teufelskreis führen, wobei das Gefühl der Unzulänglichkeit oder Minderwertigkeit verstärkt wird. Menschen ziehen sich zurück oder isolieren sich, was zudem die Schamgefühle noch zusätzlich verstärken kann.
- Schamkultur vs. Schuldkultur: In einigen Kulturen wird Scham als ein vorherrschendes emotionales Konzept betrachtet, während in anderen die Betonung eher auf Schuld liegt. In einer Schamkultur liegt der Fokus darauf, das Ansehen und die Ehre der Gemeinschaft zu wahren, während in einer Schuldkultur die Betonung eher auf individueller Verantwortung und Sühne liegt.
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Zu der „Familie Scham“ gehören ebenfalls Verlegenheit, Befangenheit, Schüchternheit, Peinlichkeit, Kränkung, Schmach und Minderwertigkeitsgefühl.
Scham kann eine äußerst belastende Emotion sein, die das psychische Wohlbefinden und die zwischenmenschlichen Beziehungen beeinträchtigen kann. Es ist wichtig, Schamgefühle anzuerkennen, zu verstehen und konstruktive Wege zu finden, um mit ihnen umzugehen, sei es durch Selbstmitgefühl, therapeutische Unterstützung oder eine offene Kommunikation mit anderen Personen.
Scham und Schuld sind in vielen Aspekten miteinander verwandt. Denn man kann z. B. durch einen Gewissenskonflikt schambesetzte Schuldgefühle entwickeln.
“Die Befreiung von Scham vor sich selbst ist das Siegel der erreichten Freiheit.” (Friedrich Nietzsche)
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Was ist bedeutet Schuld?
Schuld ist ein komplexes, emotionales und moralisches Konzept, das sich auf das Gefühl bezieht, dass man für ein Fehlverhalten/Verstoß oder eine negative Handlung verantwortlich ist, z.B. Diebstahl oder fahrlässige Tötung.
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Schuld kann sich auf drei Wegen manifestieren:
- Die moralische Schuld: Es wurde gegen moralische oder ethische Prinzipien verstoßen z. B. fühlt sich jemand schuldig, weil er eine andere Person verletzt hat oder gegen seine eigenen moralischen Werte verstoßen hat.
- Soziale Schuld: Jemand hat gegenüber anderen Menschen oder einer Gruppe versagt, z. B. durch eine direkte Handlung oder einer Unterlassung. Soziale Schuld kann z. B. entstehen, wenn man Erwartungen anderer nicht erfüllt oder ein Versprechen bricht oder anderen Menschen Schaden zufügt.
- Selbstschuld: Man hat gegenüber sich selbst versagt, entweder durch eine unangemessene Handlung, einer verpassten Gelegenheit oder des Nichterfüllens persönlicher Standards oder Ziele. Diese Schuld kann oft belastend sein, da sie mit einem negativen Selbstbild und dem Gefühl der Unzulänglichkeit einhergeht.
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Schuld ist immer persönlicher Natur, und diese Person hat immer die Wahl zwischen Gut und Böse. Manchmal können sich Menschen schuldig fühlen, auch wenn sie objektiv betrachtet keine Schuld tragen.
Ein gesundes Maß an Schuldgefühlen kann konstruktiv sein, aber nur dann, wenn es Menschen dazu motiviert, Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen und sich zu verbessern. Wiederum können übermäßige oder unangemessene Schuldgefühle zu Selbstvorwürfen, Selbstzweifeln und psychischem Leiden führen, insbesondere wenn sie nicht angemessen verarbeitet werden.
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Teile deine Erkenntnisse und Erfahrungen gerne in den Kommentaren. Ich freue mich, sie zu lesen.
Deine Patricia
1 Kommentar
Frank Hoppe
Liebe Patricia,
was du hier in diesen Blogartikel eingebracht hast, ist einfach absolut genial! Du bringst es auf den Punkt, zeigst Perspektiven auf und du machst dies auf deine eigene Art und Weise. So geht “Blogartikel”!
Frank Hoppe